Dactylorhiza cruenta (O.F. MÜLLER) SOÓ (1962)

Blutrote Fingerwurz
Bas.:
Orchis cruenta O.F. MÜLLER 1782
Syn:
Orchis latifolia var. cruenta (
O.F. MÜLLER) LINDLEY 1840
Dactylorhiza incarnata ssp. cruenta
(O.F. MÜLLER) P.D. SELL 1967
Dactylorhiza incarnata var. cruenta (O.F. MÜLLER) HYLANDER 1966

Standort: In Nordeuropa steht sie vornehmlich auf kalkreichen Feucht- oder auch Strandwiesen von den Küstenlagen bis 500 Höhenmeteren in den mittleren Bergregionen
Im alpinen Bereich besiedelt sie quellnasse, lichtbegünstigte Hänge, Flachmoore und Kiefernwaldmoore in Lagen zwischen 1350 und 2500 Metern ü.M. Selten dass sie unter 1000 Metern zu finden ist.
Sie gilt als ausgesprochen kalkliebend und besiedelt ausschließlich sehr nasse Biotope. Im Alpenbereich gern mit fließendem Quellwasser.
Ihre Standortansprüche sind wesentlich spezifischer als bei D. incarnata.

Blütezeit:
In den Alpen wie auch in Nordeuropa von Mitte Juni bis Mitte Juli, abhängig von den klimatischen Bedingungen der jeweiligen Lebensräume.
Die Populationen auf den britischen Inseln blühen in etwa einen Monat früher.
Bemerkenswert ist, dass laut SUNDERMANN (1980), die nordischen Populationen 2 - 3 Wochen nach D. incarnata blühen und in den Alpen zusammen mit D. majalis - phänologisch also deutlich vor D. incarnata.
In der Tat fanden auch wir D. majalis ssp. alpestris im gleichen Biotop in ähnlichem Blühstadium in Südtirol vor.

Verbreitung:
In Europa besitzen die Vorkommen den Status von Vorposten, da das weitaus größere Verbreitungsgebiet in den borealen und temperaten Zonen Asiens liegt, was sich östlich und oberhalb des 50 igsten Breitengrades bis zum Baikalsee erstreckt.
Allerdings hängt die Angabe der Verbreitung in erster Linie von der Definition der Art D. cruenta ab.
Die nördlichsten Vorkommen liegen an der Nordwest-Küste Norwegens, die südliche Verbreitungsgrenze bilden die hohen Lagen der Südalpen.
Stellt man die Exemplare Irlands und Schottlands zu cruenta, so wäre dies die westliche Arealgrenze. Allerdings bestehen Zweifel, ob es sich bei diesen Populationen nicht eher um Varietäten von D. incarnata handelt, wie z.B. D. incarnata var. hyphaematodes, was auch die frühe Blütezeit erklären würde.
Wenn dem so wäre, würden die Südalpen auch die westliche Arealgrenze darstellen.
In Südtirol liegen die Hauptvorkommen in den Dolomiten. Nach Westen, zur französischen Grenze hin, nimmt die Anzahl der bisher bekannten Vorkommen immer weiter ab.
Im alpinen Bereich sind Vorkommen aus dem österreichischen Osttirol, dem norditalienischen Südtirol, den schweizer und französischen Alpen bekannt.
In Deutschland konnte sie noch nicht nachgewiesen werden. Frühere Angaben beziehen sich wahscheinlich auf die beidseits gefleckte Form der D. incarnata ssp. serotina.

Abgrenzug zu :
D. incarnata:
Wuchs höher, Laubblätter länger und schmaler, ungefleckt (außer bei var. hyphaematodes), in der Stellung mehr zum Stängel hin orientiert, mehr gekielt und mit kapuzenförmig zusammengzogenen Spitzen;
Blüten im Schnitt etwas größer, weniger intensiv gefärbt (Fleischfarbene Fingerwurz) mit etwas schmaleren, oft deutlicher dreigeteilten und stärker zurückgeschlagenen Seitenlappen der Lippen und etwas dünnerem Sporn.
Der Wasserhaushalt bei D. incarnata kann von sehr nass bis feucht variieren. Sie kommt somit auch in Feuchtwiesen vor, während D. cruenta gern dauerhaft "feuchten Fußes" steht und nur in sehr kalkreichem Gebiet anzutreffen ist.

D. incarnata var. hyphaematodes:
Wuchs wesentlich höher (oft höher als bei var. incarnata) mit deutlich längeren Laubblättern, die ebenfalls beidseitig (!) gezeichnet sind, aber eher braun-rot dicht beprüht bis überlaufen wirken.
Blüten und Tragblätter allerdings sind von D. cruenta nicht zu unterscheiden.
Blütezeit ca. 1 -2 Wochen vor (!) var. incarnata im gleichen Biotop mit ähnlichen Biotopsansprüchen wie D. incarnata.

D. incarnata ssp. serotina beidseits gefleckte Form:
Wuchs wesentlich schlanker mit langen schmalen Blättern, die zwar auch beidseitig aber weniger intensiv gefleckt sind. Blätter in der Stellung am Stängel orientiert, schmal lanzettlich, mit kapuzenförmig zusammengezogenen Spitzen.
Blütenstand weniger dicht - und ärmerblütig;
Blütenlippen etwas länger und schmaler;
Blütezeit ca. 1 - 2 Wochen nach (!) ssp. incarnata.
Diese Sippe könnte den Grund für die Angaben von Dactylorhiza cruenta aus Oberbayern und Norddeutschlands darstellen.

Merkmale:
Habitus: In der Regel robuste, gedrungen kleine Pflanze mit einer Wuchshöhe von 15 - 30 cm,
Blätter breit lanzettlich bis fast oval im alpinen Raum, allerdings ist der Habitus der alpinen zu den nordischen Pflanzen unterschiedlich.
Die alpinen cruenta besitzen oft breit ovale, schräg vom Stängel abstehende untere Blätter, mit der breitesten Stelle unterhalb der Mitte, wobei die nordischen Pflanzen meist schmälere, schräg aufwärts gestellte und spitz endende Blätter aufweisen.
Die Variabilität in Form, Größe und Intensität der Fleckung der Blätter ist über das gesamte Verbreitungsgebiet gesehen recht groß.
Gemeinsam ist ihnen aber stets der auffallend dicke, hohle, meist hellgrüne Stängel und die beidseitig gefleckten oder "blutrot" überlaufenen Blätter, die allerdings in seltenen Fällen auch ungefleckt oder nur einseitig gefleckt sein können.
Das oberste Blatt erreicht den Blütenstand.
Blütenstand: in der Regel relativ kurz und gedrungen, mehr oder weniger dicht mit kleinen, meist dunkelrosa bis dunkel-blutroten Blüten besetzt und mit dunkelbraunrot gefleckten oder überlaufenen Tragblättern "durchwirkt".
Sepala: oval- lanzettlich, seitliche abstehend, vor allem bei den nordischen Pflanzen steil nach oben gerichtet und mit einem dunkelrotem Schleifenmuster versehen, seitliche aufwärts gerichtet und nach außen gedreht, das mittlere mit den Petala einen lockeren Helm bildend
Petala: kurzer als Sepala, breit eiförmig und auf den Inneneseiten ebenfalls mit einem dinklen Schleifenmuster geziert.

Lippe: mit 6 mm Länge klein, so breit wie, oder breiter als lang, flach ausgebreitet bis sattelförmig, dreigeteilt mit leicht gezähnten Seitenrändern.
Auffallend groß ist der Sporneingang.
Sporn: relativ dick beginnend, und dann stark konosch zulaufend, etwa drei Viertel so lang wie der Fruchtknoten


Die Blüten allein sind zur Unterscheidung von D. cruenta zu anderen Mitgliedern des incarnata-Komplexes kaum geeignet.
Lediglich die im Schnitt dunklere Blütenfarbe und Zeichnung, sowie der große Sporneingang sind einigermaßen (!) durchgängige Merkmale.
Dactylorhiza cruenta ist, auf welcher taxonomischen Ebene auch immer, ein sehr umstrittenes Taxon, da die Konspezifität der verschiedenen Populationen von den oftmals sehr weit voneinander entfernt liegenden Wuchsorten immer wieder angezweifelt wird.

17.07.2004 Südtirol
17.07.2004 Südtirol
17.07.2004 Südtirol
17.07.2004 Südtirol
17.07.2004 Südtirol - relativ lockerer Blütenstand bei diesem Exemplar -
17.07.2004 Südtirol
17.07.2004 Südtirol
Hybriden: Mit D. majalis ssp. alpestris, D. incarnata , D. majalis,
D. traunsteineri, D. fuchsii, Gymnadenia conopsea
17.07.2004 Südtirol
17.07.2004 Südtirol - das Biotop: ein kalkreiches, nasses Hangquellmoor -
17.07.2004 Südtirol
17.07.2004 Südtirol
Dactylorhiza cruenta von:

Frankreich & Schweiz

Schweden